Akuter Ärzteschwund wegen Überalterung: Jede vierte Ärztin, jeder vierte Arzt ist mindestens über 60 Jahre alt 

13 Oktober, 2023 | Aktuell Allgemein
Überalterung: Jede vierte Ärztin,  jeder vierte Arzt ist mindestens 60 Jahre alt, 60% der Ärzteschaft ist weiblich.
Überalterung: Jede vierte Ärztin, jeder vierte Arzt ist mindestens 60 Jahre alt, 60 Prozent der Ärzteschaft ist weiblich.

Die jüngsten Ergebnisse des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen, dass Ende 2021 in den Arztpraxen und ambulanten Zentren der Schweiz 25 439 Ärztinnen und Ärzte tätig waren. Dies entspricht 19 004 Vollzeitstellen. Gut ein Viertel der Ärztinnen und Ärzte war mindestens 60 Jahre alt, geht bald oder ist bereits in Rente. Der zahlenmässig zu geringe Nachwuchs ist erfreulicherweise neu vor allem weiblich.

Drei von vier Ärztinnen und Ärzten kommen aus dem Ausland titelte die NZZ Anfang Jahr. Laut Studie «Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2021» von PWC werde es eine «gnadenlose Zuspitzung» des Fachkräftemangels mit 40 000 fehlenden Pflegekräften und 5500 fehlenden Ärztinnen und Ärzten bis zum Jahr 2040 geben. Mediziner aus immer entfernteren Ländern müssen rekrutiert werden, die viel zu oft der hiesigen Sprache nicht oder nur sehr wenig mächtig sind.

Überalterung: 28 Prozent der Ärztinnen und Ärzte mindestens 60 plus

Ende Dezember 2021 wurden gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) in der Schweiz 17 233 Arztpraxen und ambulante Zentren gezählt, in denen insgesamt 25 439 Ärztinnen und Ärzte tätig waren. Gut 28 Prozent der in den Arztpraxen und ambulanten Zentren tätigen Ärztinnen und Ärzte waren mindestens 60 Jahre alt. In den Arztpraxen mit medizinischer Grundversorgung belief sich dieser Anteil auf 25,5 Prozent, in den Praxen und Zentren für spezialmedizinische Leistungen oder mit einem gemischten Angebot (Grundversorgung und Fachmedizin) auf fast 30 Prozent.

Der ärztliche Nachwuchs ist vorwiegend weiblich

Gut 44 Prozent der in den Arztpraxen und ambulanten Zentren tätigen Ärzte waren 2021 Frauen. Die Jüngeren unter ihnen sind mehrheitlich weiblich. Bei den Ärztinnen und Ärzten unter 45 Jahren belief sich der Frauenanteil auf über 60,5 Prozent, bei jenen ab 45 Jahren lediglich auf 39 Prozent. Die in der medizinischen Grundversorgung tätigen Arztpraxen und ambulanten Zentren beschäftigten knapp 48 Prozent Frauen. In den Praxen mit fachmedizinischem oder gemischtem Angebot lag der Anteil der Ärztinnen bei fast 42, beziehungsweise 44 Prozent.

In der Schweiz droht Ärzteschwund

Vor allem das starke Interesse von Frauen am Fach Medizin sorgte laut Ärztestatistik 2021 für eine zunehmend weibliche Ärzteschaft in der Schweiz. Dies dürfte allerdings in Zukunft nicht ausreichen, um das altersbedingte Ausscheiden von Ärzten aus dem Beruf auszugleichen. Die Alterspyramide der Schweizer Ärzteschaft verjüngt sich nach unten dramatisch. Es gibt weniger aktive Ärztinnen und Ärzte unter 34 als über 65 Jahren. Ein Ärzteschwund ist damit vorprogrammiert, wenn kein genügender Ausgleich von anderer Seite – zum Beispiel aus dem Ausland – erfolgt.

Um in der Schweiz ein Medizinstudium beginnen zu können, mussten auch dieses Jahr Interessierte den Eignungstest für das Medizinstudium (EMS) ablegen. 3782 Personen haben den Test gemacht, 2531 das Studium begonnen. Dies entsprechend des Numerus clausus, der den Zugang zum Studium beschränkt. Er tritt in Kraft, wenn in unserem Land aufgrund der Nachfrage die Kapazitäten um mehr als 20 Prozent überschritten und qualitativ ausreichende Studienbedingungen nicht mehr realisierbar sind. Wird der Numerus clausus notwendig, erfolgt die Zulassung nach der Eignung.

Zu viele an Medizinstudium interessiert, zu wenige Studienplätze

Zu den Gründen, weshalb es zu einem Ärzteschwund gekommen ist, gehören die sehr hohe Lebenserwartung der Schweizerinnen und Schweizer. Viele Hausärzte in der Schweiz gehen in Rente und sind nur schwer zu ersetzen. Dazu kommt, dass die Ausbildungskapazitäten für Mediziner bei uns äusserst gering sind. Im Studienjahr 2023/24 standen für das erste Semester gerade einmal 2531 zur Verfügung. Es kommt hinzu, dass der Ärzteberuf für viele Schweizer, auch aufgrund der Länge des Studiums, unattraktiv ist. Bis zum Facharzttitel kann es bis zu zwölf Jahre dauern.

Mittlerweile studieren 60 Prozent Frauen Medizin. Oft steigen sie jedoch wegen der Kinderplanung aus dem Beruf aus und kehren nicht mehr zurück. Schwer wiegt für den Ärztemangel in der Schweiz auch die Zulassungsbeschränkung im ambulanten Bereich. Auch lange Arbeitszeiten sowie Nacht- und Wochenenddienste sind wenig attraktiv.

Einmal mehr ist die Politik gefragt. Die Schweiz benötigt unbedingt und auf dem schnellsten Weg mehr Studienplätze für Medizin. Dann wäre auch der Numerus clausus obsolet.

Binci Heeb

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