Highway to Hell oder doch Highway to Heaven?
10. Januar 2025 | Aktuell Allgemein InterviewsAm 12. März finden anlässlich des 21. Europäischen Trendtags im Gottlieb Duttweiler Institut die Konferenz «Highway to Heaven? How AI Transforms Society and Work» statt. Viele Fragen zur Künstlichen Intelligenz (KI) werden besprochen, unter anderem auch, ob Tools wie ChatGPT den Menschen in Zukunft obsolet machen. Was wird in Zukunft auf uns zukommen? Wird KI die Zusammenarbeit vielleicht sogar fördern und soziale Ungleichheit verringern können?
Anlässlich des 21. Europäische Trendtags hat das GDI ein äusserst spannendes Programm zusammengestellt. So wird beispielsweise Prof. Daniel Susskind, Professor für Wirtschaftswissenschaften am King’s College in London eine Keynote zum Thema: «Wenn Arbeit nicht mehr Massstab ist» halten. Er vergleicht die Wirtschaft mit einem Kuchen: Die Produktion und Verteilung wurden bisher durch menschliche Arbeit bestimmt. Jetzt, da technische Fortschritte den Kuchen grösser machen, stelle sich die Frage nach der gerechten Verteilung bei sinkender menschlicher Arbeit.
Auch Prof. Carl Benedikt Frey, Professor für KI und Arbeit am Oxford Internet Institute der University of Oxford wird zum Thema: «KI bedroht die Mittelmässigen» sprechen. Er sagt, dass ChatGPT, Midjourney & Co. Vorteile für kreative Spitzenkräfte bringe. Er wird über Automatisierung und Generative AI sprechen und erwartet keinen KI-Durchmarsch, sondern deren Einsatz in bestimmten Bereichen. Ferner wird er Einblicke in Gewinner und Verlierer des KI-Arbeitseinsatzes geben.
Der US-amerikanische Medientheoretiker und Trendforscher Prof. Douglas Rushkoff von der City University of New York wird erläutern, wie menschliche Kreativität sich gegen fortschrittliche KI behaupten kann. Er warnt vor einer Vermenschlichung von KI und davor, ihr kreative Verantwortung zu übertragen. Dr. Maya Ben Dror, Mitgründerin und COO von ComplexChaos wird über: «Das Chaos bändigen: Die Eignung von KI für komplexe Arbeits- und Entscheidungssituationen» sprechen. Das Unternehmen wird von Village Global, der Risikokapitalgesellschaft, die von einigen der erfolgreichsten Unternehmer weltweit unterstütz wird, finanziert. darunter: Jeff Bezos, Eric Schmidt, Bill Gates, Mark Zuckerberg oder Reid Hoffmann.
thebrokernews spricht mit Dr. Jakub Samochowiec, Senior Researcher und Speaker am Gottlieb Duttweiler Institut.
Beginnen wir doch gleich mit der Frage: Werden Tools wie ChatGPT den Menschen in Zukunft überflüssig machen?
Jakub Samochowiec: Wenn überhaupt – und auch das ist fraglich – würden solche Tools nur Bürojobs ersetzen. Bis Maschinen eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach montieren oder jemandem beim Anziehen helfen können, wird es noch dauern. Man könnte selbst die Meinung vertreten, dass ein Job, der gänzlich durch ChatGPT ersetzt werden könnte, ohnehin unnötig ist. Das ist natürlich übertrieben, doch ist diese Technologie dennoch eine Gelegenheit, uns als Gesellschaft zu überlegen, welche Arbeit eigentlich wie wertvoll ist und inwiefern der Lohn diesen Wert wiedergibt. So wie die Pandemie die Aufmerksamkeit auf systemrelevante Jobs legte.
Werden wir bald in einer Welt ohne Arbeit leben, befinden wir uns auf einem Highway to Hell?
Wenn dank Technologie effizienter produziert wird, könnte man meinen, dass man früher mit der Arbeit fertig ist. Arbeit ist jedoch keine fixe Menge, die abgearbeitet werden kann. Effizienzsteigerung bedeutet oft keine Einsparung, sondern einfach mehr Output. Wir werden eher mehr Bilder erzeugen als weniger Zeit mit dem Erstellen dieser zu verbringen. Genauso wie wir dank der Effizienz von E-Mails mehr Nachrichten schreiben statt Zeit zu sparen – auch wenn kaum jemand mit dieser Nachrichtenflut glücklich ist. Der zusätzliche Output, der durch Technologie ermöglicht wird, wird also oft ausgeschöpft, auch wenn das nicht immer einem Bedürfnis entspricht.
Kommt hinzu, dass Technologie die Welt komplexer macht, was wiederum mehr Arbeit bedeutet. Ein Anwalt ist vielleicht dank Internet schneller in der Recherche, doch entstehen durch die neue Technologie auch neue rechtliche Fragen – etwa im Bereich Datenschutz. Es gibt also wieder mehr zu tun. Und letztlich erzeugen viele Tätigkeiten in unserer Dienstleistungsgesellschaft keinen unmittelbaren Wert, sondern verschieben nur bestehende Vermögenswerte. Ich denke da ans Marketing, an Fundraising, jegliche Arbeit, die in Projektbewerbungen rein fliesst aber auch Anwälte vor Gericht, etc. Die Qualität dieser Arbeit ist hauptsächlich in Relation zur Konkurrenz bestimmt.
Wird eine Kampagne, eine Projektbewerbung oder ein Gerichtsplädoyer dank Technik besser, werden es auch diejenigen der Konkurrenz. Entsteht der Wert hauptsächlich in Relation zur Konkurrenz, macht es genauso wenig Sinn, Menschen zu entlassen, wie es für eine Fussballmannschaft Sinn macht, aufgrund von Entwicklungen in der Schuhtechnologie auf einen Spieler zu verzichten. Diese in Konkurrenz zueinanderstehenden Arbeiten neutralisieren sich also gegenseitig und führen zu einem Wettrüsten, welches ein unendliches Auffangbecken für technologische Effizienzsteigerung darstellt. Auch deshalb gehe ich nicht davon aus, dass uns die Arbeit so schnell ausgeht – wir wissen uns zu beschäftigen.
Auch Sie werden zum Thema: «Mit der KI oder für die KI arbeiten» sprechen. Wie lautet die Antwort?
Ich spreche darüber, dass KI einerseits als Arbeitswerkzeug genutzt werden kann, gleichzeitig dient KI aber auch zur Überwachung von Arbeit. Es gibt Tools, die Texte analysieren, etwa von Callcenter-Mitarbeitenden oder auch in Mails und daraus Leistungsbeurteilungen ableiten. Maschinen überwachen, ob Menschen im Homeoffice tatsächlich arbeiten oder wie schnell eine Pizza geliefert wird. Das kann zu einer Entmündigung von Arbeitnehmenden führen, welche ihre Fähigkeit, KI auf eine produktive Weise zu nutzen, unterwandert. Es droht eine Zweiteilung der Gesellschaft von denjenigen, welche, etwas übertrieben formuliert, barfuss im Schneidersitz mit Maschinen über ihre Gefühle sprechen und damit Neues schaffen und denjenigen, die einem maschinellen Micromanagement unterstellt sind.
Über die Zukunft der Bildung wird Prof. Manu Kapur, Professor für Learning Sciences and Higher Education an der ETH und Direktor des Singapore-ETH Centers referieren. Welche Auswirkungen wird KI Ihrer Meinung nach auf das das Bildungssystem haben?
Es ist schwierig, diese Frage in ihrer Vollständigkeit zu beantworten. KI trägt aber ein riesiges Potenzial als Tutor in sich. Sie kann jedes Thema dem individuellen Vorwissen und Niveau entsprechend erklären und ist unendlich geduldig. Einer Lehrperson gegenüber hat man Hemmungen. Wenn man es nach drei Mal erklären nicht verstanden hat, schämt man sich womöglich, ein viertes Mal nachzufragen. Bei einer Maschine ist das nicht der Fall.
Zur letzten Frage: Worauf und auf wen freuen Sie sich am meisten und gibt es einen Highway to Heaven?
Ich freue mich sehr auf Holly Herndon. Sie macht grossartige Musik mit AI-Tools und ist damit ein Vorbild und eine Pionierin für die Arbeit mit AI. Dass kann auch für andere Berufsbilder Lehren beinhalten. Sie beschäftigt sich aber auch intensiv mit der Technologie und deren gesellschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen und kann also auch viel darüber erzählen, was weit über ihr Handwerk hinausgeht.
Dr. Jakub Samochowiec ist Senior Researcher und Speaker am Gottlieb Duttweiler Institut. Der promovierte Sozialpsychologe analysiert gesellschaftliche und technologische Entwicklungen und deren Zusammenspiel. Insbesondere interessieren ihn dabei Geschichten, die wir uns über die Zukunft erzählen und welche Menschenbilder und Machtansprüche hinter diesen stecken.
Er schrieb eine Doktorarbeit zu politischer Psychologie an der Universität Basel, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozial- und Wirtschaftspsychologie tätig war. Ebenfalls forschte er zu interkulturellen Kontakten und Konsumentenverhalten. Aufgrund seiner reichhaltigen Erfahrung im empirischen Vorgehen ist er ebenfalls Experte in quantitativen Forschungsmethoden und deren Auswertung. Neben seiner Forschungstätigkeit hat er Erfahrungen in der Video-Produktion, wie auch als DJ und Musiker.
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