Frühpensionierung: Kann ich sie mir leisten?
4. März 2022 | AktuellÜber fünfzig Prozent der Arbeitstätigen liebäugeln mit einer Frühpensionierung. Dies zeigt eine nicht repräsentative Umfrage von thebroker.ch auf LinkedIn. Die Hälfte aller Arbeitstätigen möchten also bereits vor dem ordentlichen Rentenalter von 65 Jahren bei Männern und 64 Jahren bei Frauen die Türen des Arbeitgebers hinter sich schliessen. Doch das ist nicht billig.
Auch wenn eine Frühpensionierung oder Teilpensionierung verlockend klingt, muss sie gut überlegt sein, es gilt die wirtschaftlichen Situation bei Rente oder Kapitalabzug zu klären und bereits früh zu planen. Der Schritt in die Frühpensionierung bringt einschneidende Rentenkürzungen mit sich. Spätestens fünf bis zehn Jahre vor der Pensionierung sollte man deshalb mit einer seriösen Planung beginnen. Dabei ist gut zu wissen:
- Eine Frühpensionierung mit 63 Jahren kürzt die Rente der AHV lebenslang um fast 14 Prozent.
- Das durchschnittliche Alter beim Austritt aus dem Arbeitsmarkt lag 2020 bei 65,2 Jahren.
- Die Erwerbsquote bei den 64-jährigen Männern sank auf 56 Prozent und bei den 63-jährigen Frauen auf 52 Prozent.
- Mit 65 Jahren waren noch 36 Prozent der Männer und mit 64 Jahren noch 28 Prozent der Frauen beruflich aktiv.
- 33,5 Prozent der Erwerbsbevölkerung 2020 war 50-jährig oder älter.
- 43 Prozent der Schweizerinnen sorgen finanziell nicht fürs Alter vor.
Bei einer Frühpensionierung dürfen Guthaben aus Kapitallebensversicherungen und Ersparnisse der Säule 3a bis zu fünf Jahre vor der ordentlichen Pensionierung bezogen und die AHV-Rente ein bis zwei Jahre vor der Frühpensionierung beansprucht werden. Die meisten Pensionskassen erlauben den Bezug der Altersleistung ab 58 oder 60 Jahren. Damit es zu keinem AHV-Vorbezug kommen muss, kann eine Überbrückungsrente bis zum ordentlichen Pensionsalter helfen, was allerdings in vielen Pensionskassenreglementen nicht vorgesehen ist.
Frühpensionierung: Ein teurer Schritt?
Bereits eine Frühpensionierung ein Jahr vor dem ordentlichen Rentenalter bedeutet eine lebenslängliche Rentenkürzung aus der AHV von 6,8 Prozent. Noch höher sind die Einbussen bei der Pensionskasse, da bei einem früheren Ausstieg aus der Arbeitswelt weniger Alterskapital angespart wird und dieses voraussichtlich – durch die steigende Lebenserwartung – länger halten muss. Die monatlichen Rentenauszahlungen dementsprechend auch tiefer aus. Dazu kommt, dass auch bei einer Frühpensionierung die Beiträge für Nichterwerbstätige bis zum ordentlichen Pensionsalter entrichtet werden müssen.
Die einzelnen Pensionskassen behandeln die Frühpensionierung unterschiedlich. Zudem sind die steuerlichen Folgen kantonal nicht immer gleich. Diese Faktoren wollen rechtzeitig gut abgeklärt sein. Möglicherweise eignet sich auch die Wahl einer Teilpensionierung. Einzahlungen in die Pensionskasse auf freiwilliger Basis können eine Leistungskürzung bei Frühpensionierung ausgleichen. Immer mehr Pensionskassen bieten diese Möglichkeit an. Da die Rente oft nicht ausreicht, kann diese mit privaten Ersparnissen aus der Säule 3a aufgebessert werden. Eine interessante Lösung, denn diese Einzahlungen können bis zu einem gewissen Beitrag von den Steuern abgezogen werden.
Teilpensionierung: Der bessere Schritt?
Bei einer Teilpensionierung kann der Beschäftigungsgrad ab 58 Jahren reduziert werden. Dabei sind Schritte von jährlich jeweils zwanzig Prozent die Regel. Während die AHV hier keinen Teilabzug vorsieht, erlauben viele Pensionskassen bei jeder Reduktion auch den Bezug eines Teils des Altersguthabens. Das verkleinerte Pensum bedeutet zwar weniger Einkommen, jedoch lässt es sich oft durch den Teilbezug von Altersleistung und Pensionskasse ausgleichen. Zudem bezahlt man bei einer Teilpensionierung keine zusätzlichen AHV-Beiträge, da die Beitragspflicht durch das Teilpensum bereits erfüllt ist. Achtung: In vielen Kantonen sind aus steuerlichen Gründen lediglich zwei oder maximal drei Pensionierungsschritte erlaubt. Tipp: Prüfen Sie Ihre kantonalen Bestimmungen gut.
Achtung vor einer Lebenskrise
Die Gründe für eine Frühpensionierung sind vielfältig, wollen aber sehr gut überlegt sein. Viele machen sich dabei etwas vor und glauben, dass sie danach ihren Hobbys frönen und das Leben so richtig geniessen werden. Doch Psycholog*innen warnen vor einem Loch, in welches viele Pensionierte nach kurzer Zeit fallen. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, kann unerwartete zu einer schweren Lebenskrise führen.
Die Lebenserwartung von Schweizer*innen liegt für Männer bei 81 Jahren und für Frauen bei gut 85 Jahren, und steigt weiter an. Das bedeutet, dass bereits heute viele Menschen über 90 und einige sogar über hundert Jahre alt werden. Will und kann man ganze Jahrzehnte dem Müssiggang frönen kann man diesen vor allem auch finanzieren? In hohem Alter halten sich die Möglichkeiten für manche Hobbys stark in Grenzen, Beschwerden und Gebrechlichkeit nehmen unweigerlich zu. Die Angst vor Einsamkeit und Abhängigkeit belastet viele Pensionierte mit zunehmenden Alter zusätzlich.
Spätpensionierung: Länger arbeiten
Deshalb wächst – wenn es die Gesundheit und der Beruf zulassen – neben dem Wunsch nach Frühpensionierung auch das Verlangen, länger arbeiten zu dürfen, als heutige Guillotinen es noch vorsehen. Die Überalterung unserer Gesellschaft und die damit verbundenen enorm wachsenden Sozialbelastungen zu Lasten der jungen Generation zwingt den Staat, solche Wünsche zu unterstützen oder gar vorzuschreiben.
In der Schweiz arbeitet fast jede zehnte Person auch nach dem Pensionsalter weiter. Wer sich dazu entschliesst, kann seine Rente innerhalb der Pensionskasse bis maximal zum 70. Altersjahr aufschieben. Der Vorteil besteht darin, dass bei aufgeschobener AHV-Auszahlung, die Gesamtrente höher ausfällt. Der Höchstbetrag von 2’390 Franken im Monat auf das Alter 64 (Frau) sowie das Alter 65 (Mann) und 3’585 Franken für Ehepaare kann aber nicht überschritten werden . Um von einer höheren Rente profitieren zu können, ist beim Erreichen des Pensionsalters eine sogenannte Aufschubserklärung innerhalb eines Jahres nötig. Verstreicht die Frist oder man vergisst im Anmeldeformular die Aufschubserklärung anzukreuzen, wird die Altersrente nach den allgemeinen Bestimmungen festgesetzt und ausbezahlt.
Binci Heeb/Markus Weibel
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