ERV mit neuen Angeboten für Reiseversicherungen

13. Mai 2024 | Aktuell Allgemein Interviews
ERV: Walter Wattinger, CEO der Europäischen Reiseversicherung.
ERV: Walter Wattinger, CEO der Europäischen Reiseversicherung.

Seit Januar 2023 ist Walter Wattinger CEO der Europäischen Reiseversicherung ERV, die 1919 als Reisegepäck-Versicherungsgesellschaft gegründet wurde. Hundert Jahre später agiert ERV als eigenständige Zweigniederlassung der Helvetia Gruppe mit Sitz in Basel.

thebroker spricht mit Walter Wattinger, CEO der Europäischen Reiseversicherung ERV.

Herr Wattinger, ERV und Swisscom lancierten kürzlich eine flexible und unkomplizierte Reise- und Freizeitversicherung. Ist Swisscom nun auch ein Versicherer?

Nein, wie Dirk Wierzbitzki, Leiter Privatkunden und Mitglied der Konzernleitung der Swisscom, bereits deutlich gesagt hat, ist die Swisscom reine Vermittlerin. Im Schadenfall beispielsweise, ist ERV Ansprechpartnerin und für die Abwicklung der Schadenfälle verantwortlich. Als klassischer B2B-Versicherer hat ERV die Produkteentwicklung für die Freizeitversicherung übernommen. Das Angebot ist zurzeit nur für Swisscom-Kundinnen und -Kunden verfügbar. Die Anbieterin von Mobile, Internet, TV, IT- und digital Services arbeitet ebenfalls mit den Versicherern AXA und Zurich und ist damit ein One-Stop-Shop.

Als Swisscom-Kundin oder -Kunde findet man nebst Telefonie, Internet, etc. auch Versicherungslösungen im Portal, die ganz einfach mit der Monatsrechnung bezahlt werden können. Die von ERV angebotene Freizeitversicherung ist für 1 – 22 Tage abschliessbar und damit eine Kurzfristversicherung. Sie eignet sich vor allem für die finanzielle Absicherung von Kurztrips, Sportevents, Konzerttickets und Ähnlichem. Gemeinsam mit Swisscom möchte ERV im Laufe des Jahres eine speziell auf die Bedürfnisse der Telekommunikations-Kundinnen und -Kunden zugeschnittene Jahresreiseversicherung anbieten.

Zusammen mit VCS Verkehrs-Club Schweiz lancierte ERV jüngst eine neue Veloversicherung. Was bringt die Versicherung für Velofahrer?

Das Angebot funktioniert mit verschiedenen Bausteinen. Einerseits beinhaltet sie die Kasko-Leistungen: bei Unfall, Diebstahl, Raub und Bedienungs- und Handhabungsfehlern. Beim Kasko-Zusatz sind Schäden am Akku, Vandalismus, Garantieverlängerung und Mobilitätsschutz versichert. Bei der Mobilitätsgarantie wiederum sind E-Biketransport in die Werkstatt, Personentransport an den Wohnort, Überführung ins nächste Spital, Kostenvorschuss im Spital im Ausland, ein Ersatzbike sowie eine 24/7 erreichbare Alarmzentrale in Zusammenarbeit mit Medicall gedeckt.

Das Angebot wurde so strukturiert, dass es von Einzelpersonen in einem Singlehaushalt abgeschlossen werden kann und von Familien oder Wohngemeinschaften in einem Mehrpersonenhaushalt.

Zu einem Ihrer neueren Angebote gehört auch die «Workation-Versicherung». Das tönt nach Arbeit und Urlaub. Stimmt das?

(Lacht) Natürlich. Seit Covid haben sich die Arbeitsmodelle verändert, wonach viele Arbeitnehmende nicht mehr zwingend von Montag bis Freitag ins Büro kommen, sondern auch zu Hause oder von unterwegs arbeiten können. In unserem Beispiel bedeutet dies, dass wenn jemand tageweise im Urlaub arbeitet, auch entsprechend weltweit bei Unfall oder Krankheit versichert ist. Mit der Workation-Versicherung können Arbeitgebende versicherungstechnisch unbesorgt Workation anbieten. Dies ist in Zeiten von Fachkräftemangel ein wichtiges Thema, beispielsweise wenn es um Fringe Benefits geht. Gedeckt sind maximal 56 Tage pro Person und Kalenderjahr.

Auch Ihre klassische Geschäftsreiseversicherung (CTI) wurde durch neue Leistungen angepasst. Was wurde verändert?

Im Herbst 2023 erfolgte neben der Entwicklung des neuen Workation-Pakets eine leichte Überarbeitung der klassischen Geschäftsreiseversicherung, wobei kleinere Leistungen angepasst und ergänzt wurden. Neu wird beispielsweise bei einem ungeplanten Krankenhausaufenthalt im Ausland eine externe Kinderbetreuung für den daheimgebliebenen Nachwuchs inkludiert sowie ein SOS-Schutz am Domizil. Wenn zum Beispiel jemand während der Geschäftsreise merkt, dass er oder sie die Haustür nicht abgeschlossen hat oder Ähnliches, organisiert ERV jemanden, der sich um die Lösung dieses Problems kümmert. Daneben sind wir bei Flug- und Gepäckverspätungen noch grosszügiger geworden. So wird bereits nach drei Stunden, anstatt erst nach sechs Stunden Verspätung gezahlt. Schliesslich wurden auch die Zusatzdeckungen ergänzt, besonders gefragt ist die Zusatzdeckung bei welcher mitreisende Begleitpersonen mitversichert sind.

Die vielen Bahnstreiks in Deutschland betreffen auch die Schweiz: Wer übernimmt hier die Kosten?

Grundsätzlich besteht bei Bahnverspätungen, etc. ein Anspruch gegenüber dem Transportunternehmen, in diesem Fall der Deutschen Bahn. Die betroffene Person muss also das Geld von der Deutschen Bahn zurückverlangen. Gemäss Fahrgastrecht hat man Anspruch auf eine teilweise oder ganze Rückerstattung.

Die Reiseversicherung von ERV deckt in einem solchen Fall die Folgekosten. Wenn man wegen des ausgefallenen Zuges zum Beispiel ein Musical verpasst, werden die Ticketkosten von uns getragen.

Was sind die Auswirkungen auf den Versicherungsschutz für Reisen nach Israel oder in die Ukraine?

Als der Konflikt in Israel begann, gab es noch keine Reisewarnung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA, welche für Versicherer relevant ist. ERV deckte alle Reisen in das Land zu diesem Zeitpunkt ab. Seitdem das EDA von touristischen und anderen nicht dringenden Reisen nach Israel abrät, sind Reisestornierungen nicht gedeckt, sofern die Reisebuchung nach dieser Warnung stattfand. Dasselbe gilt für Reisen in die Ukraine.

Japan bietet ab Ende März 2024 ein Visum für «digitale Nomaden» an. Was ist damit gemeint?

Es ist tatsächlich so, dass seit dem 1. April ein Visum für digitale Nomaden für das Land der aufgehenden Sonne ausgestellt wird, auch für Reisende aus der Schweiz. Ich war selbst erstaunt darüber. Allerdings müssen gewisse Voraussetzungen wie Herkunftsland oder Jahreseinkommen von 10 Millionen Yen (58’923 Schweizer Franken) erfüllt werden, um ein 6-monatiges Visum zu erhalten. Dabei muss man wissen, dass Japan ein sehr teures Land ist. Insbesondere gilt dies für Spitalaufenthalte und Heilungskosten, was eine Auslands-Unfall- und Krankenversicherung empfehlenswert macht. Auch 47 andere Länder kennen solche Visa, beispielsweise Australien und Brasilien.

Die Baloise hat vergangenes Jahr ein neues Reiseversicherungs-Angebot namens «Parasurance» vorgestellt. Bei dieser parametrischen Versicherung muss die versicherte Person einen Schaden nicht aktiv melden, da der Versicherer den Kunden automatisch benachrichtigt, sobald ein in den Versicherungsbedingungen festgelegter Parameter überschritten wird. Verfolgt ERV ähnliche Pläne?

Parametrische Versicherungen gibt es bereits seit vielen Jahren und ERV beobachtet dies sehr genau, hat jedoch bisher keine Pläne diese einzuführen.

Wird am Ferienort beispielsweise eine bestimmte Niederschlagsmenge überschritten, wird der Kunde automatisch von der «Parasurance»  informiert und erhält am Ende des Urlaubs 100 Franken für jeden versicherten Tag mit überschrittener Regenmenge ausbezahlt. Diese Dienstleistung funktioniert durch die Anwendung von Blockchain-Technologie.

Selbstverständlich darf das Thema «Hotelplan» nicht unerwähnt bleiben, einer der grossen Kunden von ERV. Wie geht es dort weiter?

Im Moment geht es ganz normal weiter, da wir einen Vertrag mit «Hotelplan» und der dazugehörigen «Interhome» besitzen. Die Verträge werden von beiden Seiten eingehalten.

Immer mehr Versicherer legen grossen Wert auf die Personalisierung ihrer Angebote. Auch ein Thema für ERV?

Die Personalisierung ist bei uns bereits seit Jahren ein Thema. Schliesslich geht es darum, dass der Versicherer in einer bestimmten Lebenssituation die richtige Lösung anbieten kann. Wir verfügen über unterschiedliche Versicherungen, die als Single oder als Familie abgeschossen werden können. Sie können auch den verschiedenen Lebensentwürfen angepasst werden – zwischen einer günstigen Basisdeckung oder einer teureren Premium-Deckung bieten wir verschiedene Abstufungen an.

Bei unserer Tierversicherung wau-miau gibt es ebenfalls drei verschiedene Angebote. Bei unserer Geschäftsreiseversicherung (CTI) existieren standardisierte Rahmenangebote, aber auch massgeschneiderte Offerten. Die Personalisierung der Angebote bedeutet nicht, dass diese intern komplex, sondern so standardisiert wie möglich, aufgebaut sind.

Wie sieht es beim Einsatz von KI aus. Die Helvetia ist da schon weit fortgeschritten. Wie sieht es bei der ERV aus?

Auch wir haben bereits erste Schritte mit der KI unternommen und orientieren uns an den neuen Möglichkeiten. Ich sehe KI aus zwei Perspektiven: Einerseits ergibt sich ein Nutzen für unsere Kundschaft und andererseits ein Nutzen für die internen Abläufe.

Aus Kundensicht verfügen wir über sehr gute Anwendungsfälle. Im Verlaufe dieses Jahres werden wir unseren mit AI-ausgestatteten Chatbot einführen. Er wird unsere Kundinnen und Kunden bei Fragen oder bei kleineren Beratungsthemen unterstützen und Themen der Automatisierung aufgreifen. Die KI ist ebenfalls für die Verbesserung und Effizienzsteigerung für den internen Gebrauch sehr wichtig. Insbesondere in der Schadenabwicklung, wo wir gemeinsam mit der Helvetia lernen und agieren. Ein Beispiel ist die Dokumentenerkennung bei komplexeren Schadenfälle sowie die Teilprüfung oder kompletten Dunkelverarbeitung von einfacheren Schäden. Wir investieren viel Geld und Ressourcen in die Weiterentwicklung unserer Fähigkeiten mit KI und generell in die Digitalisierung des Kundenerlebnisses. Hier können wir mit einfachen Lösungen einen Mehrwert für den Kunden oder die Kundin generieren, wie beispielsweise auch die digitale Policenkarte für die Jahresversicherung von ERV, wo der Kunde oder die Kundin alle relevanten Informationen jederzeit griffbereit hat.

Walter Wattinger ist seit Januar 2023 CEO von ERV, vorher war er 10 Jahre Head of Claims Management und Head of Online Direct Sales bei Sanitas. Vor seiner Zeit bei Sanitas war er  Consultant bei Accenture & Namics und hat selbstständig ein Start-up im Bereich E-Commerce gegründet und erfolgreich verkauft. Walter verfügt über einen Masterabschluss in Betriebswirtschaft HSG und ein Executive Diploma in Versicherungsmanagement HSG.

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