Burnout hat viele Gesichter
22 April, 2025 | Aktuell Allgemein
An der FutureHealth Basel-Konferenz 2025 in der Schweizer Pharmahochburg Basel stand unter anderem die mentale Gesundheit im Fokus. Es wurde besprochen, wie Unternehmen mentale Gesundheit fördern können – und warum es nicht bei Workshops bleiben darf.
Die Arbeitswelt hat sich verändert. Was lange als individuelle Schwäche galt, wird heute als strukturelles Problem erkannt: mentale Erschöpfung, Burnout und depressive Episoden sind kein Randphänomen mehr. Die Fachtagung zur mentalen Gesundheit, organisiert von Helsana, hat das Thema ins Zentrum gerückt. Nicht als medizinischer Spezialfall, sondern als gesellschaftliche Herausforderung, die Arbeitgeber genauso betrifft wie Versicherer, Politik und Privatpersonen.
Von der Erschöpfung zur Diagnose: Was ist ein Burnout?
Prof. Dr. Josef Jenewein, ärztlicher Direktor der Privatklinik Hohenegg, lieferte einen klaren medizinischen Rahmen: Burnout ist ein körperlich-geistiger Erschöpfungszustand, der sich nicht einfach mit ein paar freien Tagen auflösen lässt. Drei Kernsymptome zeichnen das Syndrom aus: emotionale Erschöpfung, Depersonalisation (also die Entfremdung von sich selbst und anderen) und ein deutlicher Leistungsabfall. Die Übergänge zu einer Depression sind fliessend, die Differenzierung jedoch entscheidend für Therapie und Umgang.



V.l.n.r. Petra Volpe zeigte Ausschnitte aus dem eindrücklichen Film «Heldin», der eine Pflegemitarbeitende in ihrem Alltag begleitet. Marcel Napierala, CEO, Medbase Gruppe, sprach über die Herausforderungen der Schweizer Gesundheitsversorgung. Heinz Locher, Gesundheitsökono,, Katharina Blankart, Leiterin Institut für Gesundheitsökonoie und -politik, Berner Fachhochschule, Yvonne Gilli, Präsidentin, FMH, wurden vom Moderator über das Schweizer Gesundheitssystem befragt.
Persönlich betroffen: Ein Erfahrungsbericht, der unter die Haut geht
Denise Hoffmann, Coachin und ehemalige Führungskraft, teilte auf der Konferenz ihre sehr persönliche Geschichte: Über Jahre hinweg habe sie sich in einem Zustand permanenter Anspannung befunden. Der berufliche Erfolg wurde zum einzigen Halt, während privat viele tragende Strukturen wegfielen. «Ich konnte irgendwann nicht mehr entscheiden, ob mir ein Konzertbesuch Freude macht oder nicht. Alles war grau.» Der Wendepunkt kam, als zwei Personen aus ihrem Umfeld sie ansprachen – eine Freundin und ein Kollege. Diese Gespräche waren der Beginn ihrer Gesundung.
Führungskräfte als Scharnier zwischen Belastung und Hilfe
Sandra Schwendener, Leiterin Health und Diversity Management bei Helsana, betonte die Rolle der Vorgesetzten: «Sie sind nahe genug dran, um Veränderungen im Verhalten zu bemerken, aber oft zu wenig geschult, um richtig zu reagieren.» Helsana setzt daher auf obligatorische Schulungen für alle Führungspersonen: Warnsignale erkennen, Gespräche initiieren, Angebote aufzeigen. Ein externer Partner bietet zudem psychologische Ersthilfe an. Das Ziel: eine Unternehmenskultur, in der psychische Belastung nicht mehr stigmatisiert wird.
Symptome, die wir alle kennen – und doch oft ignorieren
Die Symptome, die Hoffmann beschrieb, kommen vielen bekannt vor: Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, ständige Müdigkeit. Dennoch werden sie oft nicht ernst genommen – weder von den Betroffenen noch von ihrem Umfeld. Der Grund: eine Arbeitskultur, die Funktionieren über Fühlen stellt. Wer nicht mehr kann, gilt als schwach, nicht als Alarmzeichen eines kranken Systems. Diese Denkmuster zu durchbrechen, ist eine der großen Aufgaben für Unternehmen.
Nicht nur ein HR-Thema: Warum mentale Gesundheit ein Führungsthema ist
Führung bedeutet nicht nur Zielerreichung, sondern Verantwortung für Menschen. Das wird oft vergessen, wenn Burnout-Fälle als individuelles Versagen abgetan werden. Dabei zeigen Studien klar: Mangel an Anerkennung, unrealistische Ziele, fehlende Beteiligung an Entscheidungen und eine Kultur der ständigen Erreichbarkeit sind zentrale Burnout-Treiber.
Von der Symptombekämpfung zur Kulturveränderung
Workshops zur Resilienz sind hilfreich – aber sie greifen zu kurz, wenn die strukturellen Ursachen unberührt bleiben. Das wurde auf der Tagung mehrfach betont. Was es braucht, ist eine Kulturveränderung: mehr Dialog, mehr Flexibilität, mehr echte Führungsverantwortung. Unternehmen, die mentale Gesundheit ernst nehmen, tun das nicht aus Altruismus, sondern aus Einsicht. Denn langfristig profitieren alle: Mitarbeitende, Teams und das Unternehmen selbst.
Ein Thema, das bleibt
Die Tagung hat gezeigt: Mentale Gesundheit ist kein Modethema, sondern ein bleibender Teil unternehmerischer Verantwortung. Und vielleicht ist das Wichtigste, was Denise Hoffmann dem Publikum mitgeben konnte, genau das: «Es braucht oft nur zwei Menschen, die den Mut haben, ein Gespräch zu führen. Und es kann alles verändern.»
Binci Heeb
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