Krankenkassen-Obligatorium? Antwort vom Gesundheitsdirektor Basel-Stadt und ein Quote aus Graubünden
1 September, 2023 | Aktuell Nicht kategorisiert
Wie in der SonntagsZeitung zu lesen war, denkt die Zürcher Gesundheitsdirektorin Nathalie Rickli laut über ein Ende des Krankenkassen-Obligatoriums nach. Wie in vielen Jahren zuvor, sollen die Prämien auch 2024 kräftig steigen. Die Rede ist von einem grösseren Anstieg als 2023, wo durchschnittlich 6,6 Prozent höhere Prämien verlangt wurden. Zu viel für die Zürcher Regierungsrätin – und dies 2 Monate vor den Nationalratswahlen.
Die Krankenkassenprämien sind 2023 nach vier Jahren der Stabilität wieder gestiegen. Die zu erwartenden Prämien werden im Voraus durch Schätzungen berechnet. Während der Pandemie war dies besonders schwierig, was zur Folge hatte, dass die 2021/2022 gezahlten Beträge nicht kostendeckend waren und ein Nachholprozess 2023 zwingend erforderlich wurde. Die Verluste an den Finanzmärkten aufgrund des Angriffskriegs auf die Ukraine sowie die steigenden Zinsen konnten die Reserven der Versicherungen nur teilweise abfedern.
Explodierende Gesundheitskosten sind Fakt
Die explodierenden Gesundheitskosten sind schon lange ein heissumstrittenes Eisen der Schweizer Parteien von links bis rechts. Bereits viermal hat das Schweizerische Stimmvolk Vorlagen zu einer staatlichen Einheitskasse abgelehnt. Und zwar deutlich. So versenkte es diese 1994 mit 77 Prozent, 2003 mit 73 Prozent, 2007 mit 71 Prozent und zuletzt 2014 mit 61,5 Prozent.
Während die Rechte den Volkswillen als klares Nein zur staatlichen Einheitskasse sieht, findet die Linke, dass nach neun Jahren und alljährlichem Prämienanstieg endlich erneut darüber abgestimmt werden müsse. Denn tiefere Prämien fordere mittlerweile auch der Mittelstand: «Das Parlament muss endlich die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen und sie bei den explodierenden Prämien entlasten», so SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer Anfang Juli 2023 nachdem die bürgerliche Mehrheit statt der Prämien-Entlastungs-Initiative «einen völlig ungenügenden Gegenvorschlag durchgedrückt» habe.
Bundesrat: Gesundheitskosten werden weiter steigen
Der Bund sieht Handlungsspielraum, um den Kostenanstieg auf das medizinisch begründbare Mass zu beschränken. Damit meint er eine Begrenzung des sogenannten Überangebots und der Übernachfrage medizinischer Leistungen, angepasster Tarife im ambulanten Bereich, eine verbesserte Spitalplanung und mehr Transparenz bei der obligatorischen Krankenversicherung.
Verschiedene vom Bundesrat angeschobene Massnahmen wurden dann auch tatsächlich bereits umgesetzt. Dazu gehören die Senkung der Labortarife und der Arzneimittelpreise, sowie Anpassungen im Bereich der Health Technology Assessments (HTA). Ein zweites Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Bereich Krankenversicherung sowie ein Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative der «Die Mitte»-Partei wurde ans Parlament überwiesen. Zudem hat der Bundesrat eine Änderung der Verordnung über die Krankenversicherung in die Vernehmlassung geschickt. Damit sollen Einsparungen erzielt werden, zum Beispiel bei der noch stärkeren Förderung von Generika.
«Abschaffung des Krankenkassen-Obligatoriums spaltet Gesundheitssystem»
Der Basler Regierungsrat Dr. Lucas Engelberger, Präsidenten der GDK, sagt gegenüber thebroker: «In der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) ist eine Infragestellung des Versicherungs-Obligatoriums bisher kein Thema.» Er stehe dem sehr skeptisch gegenüber. «Mir ist kein Modell bekannt, das nach einer Abschaffung des Obligatoriums eine Spaltung des Gesundheitssystems verhindern könnte.» Für Menschen mit wenig Geld müsste letztlich der Staat einen – allenfalls reduzierten – Leistungskatalog finanzieren, während Personen mit den entsprechenden Mittel auf dem Markt bessere Möglichkeiten hätten. Dadurch würde die Solidarität geschwächt, und es könnten neue Fehlanreize entstehen.
Die erwähnten Vorschläge von FDP und SP seien laut Engelberger noch weniger präzis und wurden in der GDK bisher nicht diskutiert. «Persönlich halte ich fundamentale Systemeingriffe für wenig aussichtsreich», so der GDK-Präsident. «Wir sollten stattdessen an einer Verbesserung des aktuellen Systems arbeiten und vermehrt auf eine regionale Versorgungsplanung setzten, die alternativen Versicherungsmodelle stärker fördern sowie die Koordination der Leistungsbringer verbessern.»
Schliesslich sieht der einflussreiche Basler Politiker mit nationaler Beachtung einen politisch verordneten Leistungsabbau ebenfalls kritisch. Realistisch wäre eine regelmässige technische Überprüfung der KVG-Leistungen nach den vorgegebenen Kriterien von Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Klipp und klar
Peter Peyer, Regierungspräsident und Vorsteher des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit des Kantons Graubünden sagt gegenüber thebroker deutlich: «Wenn ich wirklich eine gesundheitspolitische Grundsatzdebatte möchte, würde ich die sicher nicht in der Sonntagspresse lancieren, und auch nicht zwei Monate vor den eidgenössischen Wahlen…»
Binci Heeb
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