Schweizer Kriminalstatistik 2020: Keine Entwarnung
22. März 2021 | AktuellJeweils im Frühjahr veröffentlicht das Bundesamt für Statistik die polizeiliche Kriminalstatistik PKS mit der Liste der im Vorjahr registrierten Straftaten. Auch diesmal eine sehr unerfreuliche Lektüre mit leider nur scheinbaren Lichtblicken.
Während der ausserordentlichen Lage der Covid-19-Pandemie vom 16. März bis 19. Juni 2020 ging die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten im Vergleich zum Durchschnitt der letzten drei Jahre (2017 – 2019) zurück. Gegen das Strafgesetzbuch StGB wurden 21 Prozent, gegen das Betäubungsmittelgesetz BetmG 14 Prozent und gegen das Neue Ausländer- und Integrationsgesetz AIG 37 Prozent weniger Widerhandlung verzeichnet.
24’400 digitale Straftaten in der Schweiz alleine 2020
Die polizeilichen Kriminalstatistik PKS vermeldet für das vergangene Jahr eine signifikante Anzahl an Cyberbetrug (16 395 Straftaten). Im gleichen Zeitraum wurden 32 819 Einbruch- und Einschleichdiebstähle gezählt.
Erstmals wurde in der PKS 2020 auch die digitale Kriminalität (Cyberkriminalität) ausgewiesen und umfasst sämtliche Straftaten, welche im digitalen Raum, das heisst in den Telekommunikationsnetzen und insbesondere im Internet, begangen werden. Die 24 398 digitalen Straftaten verteilen sich auf drei Bereiche: «Cyber-Wirtschaftskriminalität» mit dem grössten Anteil von 84,2 Prozent, «Cyber-Sexualdelikte» 10,7 Prozent sowie «Cyber-Rufschädigung und unlauteres Verhalten» 5,1 Prozent. Mit insgesamt 16 395 Straftaten deutlich am stärksten vertreten ist Cyberbetrug, ein Teilbereich der Cyber-Wirtschaftskriminalität.
Typisch digitale Strafdaten
Einige der Widerhandlungen werden überwiegend «digital» verübt, zum Beispiel Datenbeschädigung, bei der 82,7 Prozent der Straftaten ein Cyber-Tatvorgehen aufweisen. Dasselbe gilt für Pornografie (81,3 Prozent), Geldwäscherei (79,3 Prozent) und Betrug (70,4 Prozent). Insgesamt wurden im Zusammenhang mit digitalen Straftaten im virtuellen Raum 15’714 Geschädigte registriert.
Total | davon mit einem Cybermodus | Anteil | |
Total | 77 182 | 24 398 | 31,6% |
Betrug (Art. 146) | 19 338 | 13 613 | 70,4% |
Pornografie (Art. 197) | 3 051 | 2 480 | 81,3% |
Geldwäscherei (Art 305bis) | 3 070 | 2 434 | 79,3% |
Betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147) | 6 798 | 1 986 | 29,2% |
Erpressung (Art. 156) | 883 | 538 | 60,9% |
Unbefugte Datenbeschaffung (Art. 143) | 776 | 528 | 68,0% |
Unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem (Art. 143bis) | 696 | 494 | 71,0% |
Datenbeschädigung (Art. 144bis) | 527 | 436 | 82,7% |
Urkundenfälschung (Art. 251) | 3 241 | 355 | 11,0% |
Üble Nachrede (Art. 173) | 1 701 | 340 | 20,0% |
Beschimpfung (Art. 177) | 12 876 | 259 | 2,0% |
Verleumdung (Art. 174) | 1 467 | 224 | 15,3% |
Drohung (Art. 180) | 11 027 | 163 | 1,5% |
Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (Art 179quazer) | 707 | 142 | 20,1% |
Nötigung (Art. 181) | 2 843 | 122 | 4,3% |
Missbrauch einer Fernmeldeanlage (Art. 179septies) | 1 538 | 111 | 7,2% |
Übrige Straftaten gegen das StGB | 6 643 | 173 | 2,6% |
Rund 90 Einbruch- und Einschleichdiebstähle pro Tag
Schweizweit mussten Im vergangenen Jahr 32’819 Einbruch- und Einschleichdiebstähle registriert werden. Das sind zwar 9,9 Prozent weniger als 2019 und zeigen seit 2012 einen konstanten Rücklauf. Wobei frühere Erfassungsänderungen 2020 jedoch Corona sowie die damit verbundene Homeoffice Pflicht eine grosse Rolle spielen dürfte. Rückgänge verzeichneten vor allem Diebstähle ohne nähere Spezifikation (-14,6 Prozent) und der Taschendiebstahl (-28,7 Prozent). Dagegen verzeichneten kriminelle Aneignung aus Fahrzeugen (+15,4 Prozent) und Fahrzeugeinbruchdiebstähle (+7,4 Prozent) eine deutliche Zunahme. Noch wesentlich deutlicher stiegen die Entwendungen von E-Bikes mit 6082 Straftaten (+37,5 Prozent).
Mehr häusliche Gewalt
Möglicherweise ebenfalls wegen Corona gab es einen Anstieg von zwei Prozent der Fälle häuslicher Gewalt. Wegen des Lockdowns 2019 waren es total 19 669 Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt, im Corona-Jahr waren es 20 123 Fälle, wobei nur 20 Prozent der Fälle überhaupt gemeldet werden. Besonders die Zahl versuchter Tötungsdelikte schoss von 50 Fällen 2019 auf 61 im vergangenen Jahr hoch.
Kein Rückgang der Tötungsdelikte
Die Polizei registrierte letztes Jahr 47 vollendete Tötungsdelikte, 2019 waren es deren 46. Davon wurden 28 im häuslichen Bereich verübt (2019: 29). Bei elf der Todesopfer handelte es sich um Frauen, die von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet wurden, bei neun um Kinder, die von einem Elternteil um ihr Leben gebracht wurden.
Massive Erhöhung der schweren Gewaltkriminalität
2020 wurden 1668 sogenannte schwere Straftaten verzeigt: das sind 137 Straftaten beziehungsweise 8,9 Prozent mehr als 2019 (1531 Fälle). Der Anstieg ist insbesondere auf die Zunahme der versuchten Tötungsdelikte (+45 Straftaten), der Vergewaltigung (+34) und der schweren Körperverletzung (+32) zurückzuführen.
Binci Heeb